"Nur wenn sich auf allen Ebenen Veränderungen ergeben und Maßnahmen umgesetzt werden, kann die Verkehrswende in Schleswig-Holstein erfolgreich umgesetzt werden."
Mobilität kostet Geld. Doch geht es dabei längst nicht nur um Kosten für das Nahverkehrsticket oder die nächste Tankfüllung. Neben diesen primären Kosten hat die Bevölkerung weitere Folgekosten zu tragen: Lärm, Luftverschmutzung und Staus beeinträchtigen die Lebensqualität. Wie gelingt es uns, auch diese Kosten zukünftig zu reduzieren?
Verbindliche Ziele
Die Aufmerksamkeit für das Thema Mobilität ist hoch – nicht erst, seitdem sich die Debatte durch den Abgasskandal und drohende Fahrverbote deutlich verschärft hat. Auch an der Debatte in Schleswig-Holstein wird deutlich, wie facettenreich und komplex das Themenfeld ist. Dennoch wird die Verkehrswende von vielen noch immer auf die Frage nach Antriebssystemen reduziert. Dabei braucht eine derart brisante Herausforderung einen breiten gesellschaftlichen Konsens und die Verständigung auf eine gemeinsame Linie.
"Nur wenn sich auf allen Ebenen Veränderungen ergeben und Maßnahmen umgesetzt werden, kann die Verkehrswende in Schleswig-Holstein erfolgreich umgesetzt werden."
Die Wirtschaftsregionen in Deutschland stehen miteinander im Wettbewerb. Mobilität und Verkehr sind dabei zunehmend wichtige Standortfaktoren, die es zu entwickeln gilt. 63% der befragten Experten halten ein zukunftsfähiges Verkehrskonzept für essenziell, um die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit Schleswig-Holsteins sicherzustellen.
"Unter Verkehrssicherheitsaspekten müssen endlich Tabus angegangen werden, z.B. die regelmäßige verbindliche Überprüfung der Fahrtüchtigkeit (ärztliche Untersuchungen, Atteste) bei allen Personen über 65 Jahren."
Aber nicht nur ökonomische Treiber geben den Ausschlag, Mobilität weiter oben auf der politischen Agenda einzuordnen. Auch die Bürger selbst werden zunehmend mit den sozialen und ökologischen Folgen des Verkehrs konfrontiert. 63% der Befragten rechnen mit einem steigenden Handlungsdruck aufgrund geänderter gesetzlicher Rahmenbedingungen und einer gestiegenen Aufmerksamkeit in der Bevölkerung.
Entsprechend der gestiegenen Aufmerksamkeit sind 55% der Befragten der Meinung, dass die Politik das Thema Mobilität und damit auch Verkehrswende noch immer systematisch unterschätzt.
"Es muss eine Überprüfung sämtlicher Gesetze, Verordnungen und Richtlinien auf Landesebene erfolgen, verbunden mit einem massiven Einsatz bei Änderungen auf Bundesebene, die direkt oder indirekt Einfluss auf die Mobilität haben. Beispiele sind die Stellplatzverordnung, Landesbauordnung, Garagenverordnung, Dienstreisenregelungen, Straßen- und Wegegesetze, ÖPNV-Gesetz, STVO ..."
Als eines der zentralen Ergebnisse der ersten Befragungsrunde kann festgehalten werden, dass die Verkehrswende hinter den Möglichkeiten zurückbleibt. Adressat dieser Kritik ist in erster Linie die Politik. 84% der Befragten sehen die Zögerlichkeit der Politik, 71% konträre Politikziele wie Pendlerpauschale oder Eigenheimzulage als Hürden für eine zeitnahe Realisierung der Verkehrswende in Schleswig-Holstein.
Neue Kooperationskultur
Vielversprechende Ansätze für eine zukunftsfähige Mobilität gibt es bereits etliche. Vielen fehlt es jedoch an Reichweite, damit ihr Beispiel Schule machen kann. Noch immer fehlt es an Initiativen und Lösungen, die die Grenzen von Kommunen oder Branchen überwinden. Schade, denn damit verspielt Schleswig-Holstein wichtige Weichenstellungen für die Zukunft. Daher wird es Zeit, Kompetenzen zu bündeln und gemeinsam zu handeln.
"Eine Kooperation mit Dänemark wäre mehr als sinnvoll. Hier können wir noch viel lernen."
"Wertschöpfung, Einkommen und Lebensqualität werden nur mit innovativen Mobilitätsangeboten als dafür notwendige Basis für Einheimische und Gäste nachhaltig gesichert werden können."
Die Politik legt die Rahmenbedingungen für die Verkehrswende fest. Dabei kann sie auf positive Anreize, Förderungen, aber auch restriktive Maßnahmen wie Fahrverbote setzen. Voraussetzung ist in jedem Fall der Gestaltungswille der Verantwortlichen. Und genau hier herrschen Zweifel: 47% der Teilnehmer zweifeln an der Bereitschaft der Politik, notwendige planerische Eingriffe in die Struktur autogerechter Infrastrukturen vorzunehmen.
"Ich sehe unsere Vorbildfunktion - Bürgermeister in Schleswig-Holstein fahren CO2-frei."
Es sind jedoch nicht nur landes- oder kommunalpolitische Entscheidungen, die im Hinblick auf das Gelingen einer nachhaltigen Verkehrswende in Schleswig-Holstein als problematisch angesehen werden. 55% bewerten die Abkehr der Bundesregierung von den Zielen zur Reduktion von CO2 bis 2020 als Faktor, der zu einer deutlichen Verzögerung der Verkehrswende führen wird.
Sozialverantwortliche Mobilität
Mobilität ist ein Grundbedürfnis, garantiert soziale Teilhabe und erlaubt es Menschen, am Erwerbsleben teilzunehmen. Zugleich steigen die Mobilitätskosten, und auch die Verkehrswende wird es nicht zum Nulltarif geben. Eine der zentralen Aufgaben wird darin bestehen, die Verkehrswende sozialverträglich zu gestalten und dafür zu sorgen, dass alle Bürger in Schleswig-Holstein von einer modernen und nachhaltigen Mobilität profitieren. Davon hängt nicht nur die Akzeptanz der Verkehrswende ab.
"Die politischen Entscheidungsträger in Schleswig-Holstein sollten das Thema Verkehrswende als Chance begreifen, trotz anfänglich hoher Kosten neue Beschäftigungsverhältnisse entstehen zu lassen. Im Aufbau dieser Lösungen im Energie- und Mobilitätsmanagement liegen die eigentlichen "Zugpferde" einer neuen Wertschöpfungskette, die eine direkte Auswirkung auch auf andere Industriezweige haben wird."
"Damit Schleswig-Holstein zum Vorreiter der Verkehrswende wird müssen wir den Mut aufbringen, eigene Mobilitätslösungen zu entwerfen und bei uns in Schleswig-Holstein zu testen und zu etablieren."
Die Mobilitätskosten werden zukünftig steigen. Davon geht mehr als die Hälfte aller befragten Experten aus. Dass die Verkehrswende die Mobilitätskosten zusätzlich steigen lässt, könnte zu einem Akzeptanzproblem führen. 43% der Teilnehmer gehen davon aus, dass ein spürbarer Anstieg der Kosten das gesamte Vorhaben gefährden könnte. Auch darum gilt es, die Mobilität der Zukunft möglichst sozial zu gestalten.
Bei der Gestaltung der Verkehrswende sind auch die indirekten Mobilitätskosten ins Kalkül zu ziehen. So zeigt sich, dass die sozialen Folgekosten, wie Lärm, Luftverschmutzung, aber auch höhere Unfallrisiken, die Lebensqualität sehr ungleich verteilt sind. So sind ärmere Regionen und/oder Stadtviertel deutlich höheren Verkehrsbelastungen ausgesetzt. Hier sind nach Ansicht der Teilnehmer Zufahrtsbeschränkungen für bestimmte Fahrzeugtypen, Geschwindigkeitsbegrenzungen und vor allem aber eine Förderung des Fuß- und Radverkehrs bereits bei der Planung geeignete Maßnahmen.
"Es bedarf deutlich mehr Engagement durch das Land, um die Verkehrswende zu erreichen. Die Verantwortung wird viel zu sehr auf die Kreise übertragen, deren finanzieller Spielraum sehr begrenzt ist."
Mobilität ermöglicht soziale Teilhabe. Bei einem steigenden Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung stellt sich zunehmend die Frage, wie sich die Mobilitätssituation von Senioren zukünftig verbessern lässt – eine Fragestellung, die insbesondere auf dem Land an Brisanz zunimmt. Insgesamt sind die Studienteilnehmer optimistisch, dass dies gelingen kann. 83% sind der Meinung, dass im Zuge der Verkehrswende ältere Menschen in Schleswig-Holstein mobiler werden.