Verkehrswende als Reaktion auf Bedürfniswandel

Menschen sind nicht nur mobiler als früher, sie sind vor allem anders mobil. Dieser Wandel der Mobilitätsmuster fordert Verkehrsplaner und Anbieter gleichermaßen heraus. Die Verkehrswende muss intelligente Antworten auf den Bedürfniswandel liefern. Aber welche sind die richtigen Antworten?


Mobilitätsnutzer im Mittelpunkt

Wenn die Verkehrswende gelingen soll, müssen die Interessen der Mobilitätsnutzer konsequent in den Mittelpunkt gerückt werden

Viele gute Konzepte scheitern häufig daran, dass Lösungen an den Interessen der Nutzer vorbei entwickelt werden. Dies gilt auch und ganz besonders für die Mobilität, an die immer höhere und häufig widersprüchliche Erwartung geknüpft werden. Eine erfolgreiche Verkehrswende muss die Bedürfnisse der Bürger nicht nur mit ins Kalkül ziehen, sondern diese von Anfang an zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Lösungen machen. Sonst wird sie nicht funktionieren.

"Die Wege zur Versorgung mit Lebensmitteln, Wege zu Ärzten, Apotheken etc. werden immer weiter. Auch der Fachärztemangel auf dem Land ist ein Thema. Daher müssen andere Mobilitätskonzepte für ältere Menschen dringend umgesetzt werden, soll der ländliche Raum nicht noch mehr Menschen verlieren."

Zitat Studienteilnehmer

Indikatoren:

Die Erwartungen und Ansprüche an Mobilität verändern sich. Neben den „klassischen“ Bedürfnissen nach Pünktlichkeit, Sicherheit und Zuverlässigkeit kommen zunehmend Aspekte ins Spiel, die mit den bestehenden Lösungen nur schwer in Einklang zu bringen sind. So gehen 92% der Befragten davon aus, dass es zukünftigen Nutzern primär auf Flexibilität und Unabhängigkeit ankommt. Ebenfalls neu im Bedürfniskatalog: eine sinnvolle Nutzung der Reisezeit.

Wandel der Mobilitätsbedürfnisse: Bedeutung verschiedener Mobilitätsaspekte für zukünftige Nutzer (Mehrfachnennungen waren möglich)

Hier ist ein Umdenken gefordert. Insbesondere der ÖPNV muss sich stärker auf Bedürfnisse seiner Kunden ausrichten und sich gegebenenfalls neu erfinden: 98% fordern, der ÖPNV müsse sich als moderner Mobilitätsdienstleister verstehen und 75% halten dabei eine Lösung von strikten Fahrplänen zugunsten von On-Demand-Lösungen für geboten. Konkret heißt das: Ein zukunftsfähiger ÖPNV braucht verbindliche Standards der Versorgung, die auch für ländliche Räume eine verlässliche und bedarfsorientierte Anbindung sicherstellen, wie es 77% der Experten fordern.

"Klimafreundliche Mobilität muss sich modern anfühlen und Spass machen!"

Zitat Studienteilnehmer
Um zukünftig ländliche Regionen adäquat bedienen zu können, wird sich der ÖPNV grundlegend verändern müssen: Weg von Fahrplänen und festen Routen, hin zu einer nachfrageorientierten "On Demand" Dienstleistung
Um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein, müssen sich ÖPNV-Anbieter als moderne Mobilitätsdienstleister verstehen
Ein zukunftsfähiger ÖPNV braucht verbindliche Standards der Versorgung, die für städtische und ländliche Räume eine verlässliche und bedarfsorientierte Anbindung sicherstellen (also von der Schülerbeförderung entkoppelt sind)

Um es auf eine Formel zu bringen: Der Verkehr der Zukunft soll sich auf den Nutzer ausrichten, nicht umgekehrt der Nutzer auf den Verkehr. Damit kommen Mobilitätskonzepte ins Spiel, die vielen heute noch nach Zukunftsmusik klingen und Potenzial haben, die Mobilität in Schleswig-Holstein und der ganzen Welt umzukrempeln: autonome Flottenfahrzeuge, die eine hochgradig individualisierte, flexible, sichere und bequeme Fortbewegung ermöglichen. Schwarmmobilität kann nach Ansicht von 45% der Befragten die Mobilität ländlicher Gebiete zukünftig sicherstellen. Mit ersten Lösungen rechnen die meisten Experten in ca. 15 Jahren.

"Der Einstieg in eine Mobilitätswende wäre sofort möglich, es braucht dazu keinen Technologieschub. Die dafür notwendigen Maßnahmen stehen seit Jahrzehnten zur Verfügung und werden anderswo auch längst angewendet."

Zitat Studienteilnehmer
Schwarmmobilität mit autonomen Fahrzeugen wird die Versorgung ländlicher Regionen zukünftig sicherstellen
Mit entsprechenden Lösungen zur vollautonomen Schwarmmobilität auf dem Land rechne ich frühestens in ...

Neue Mobilitätsmuster

Neue Mobilitätsmuster dürfen nicht länger durch veraltete Infrastrukturen und eine einseitige Verkehrspolitik ausgebremst werden

Die Ansprüche, die an Mobilität gestellt werden, sind zunehmend komplexer. Menschen nutzen nicht nur zunehmend andere Verkehrsmittel, sie nutzen die Verkehrsmittel auch anders. Damit zeigen sie den bestehenden Infrastrukturen ihre Grenzen auf. Darauf muss die Verkehrswende Antworten haben. Mit anderen Worten: Man wird zukünftig nicht umhinkommen, in die Struktur der Städte und Regionen einzugreifen, um das Verhältnis der Verkehrsträger neu zu ordnen und Raum für neue Lösungen zu schaffen.

"Anreize und Bewusstseinsbildung für ein Umdenken bei BürgerInnen, Unternehmen und Touristen sind wichtige Handlungsfelder zur Erreichung der Ziele."

Zitat Studienteilnehmer

Indikatoren:

Wenn sich die Mobilität ändert, was passiert dann mit den bestehenden Infrastrukturen? 82% der Studienteilnehmer zweifeln daran, dass die Entwicklung bedürfnisorientierter Mobilitätslösungen auf Basis der bestehenden Infrastrukturen möglich sein wird. Entsprechend hält die Mehrheit der Experten neben dem Erhalt und Ausbau bestehender Infrastrukturen (52%) eine Anpassung der Infrastrukturen an zukünftige Bedarfe (80%) für dringend geboten und eines der zentralen Herausforderungen.

Herausforderungen in Schleswig-Holstein: Dringendste Probleme, die eine zukunftsfähige Mobilität lösen muss (Mehrfachnennungen waren möglich)

Zu den dringendsten Problemen, die eine zukunftsfähige Mobilität lösen muss, zählt mit 80% der Stimmen der Expertinnen und Experten die Anpassung von Infrastrukturen. 52% der Befragten plädieren für den Erhalt und Ausbau der bestehenden Infrastrukturen.

Damit neue Verkehrskonzepte erfolgreich entwickelt und umgesetzt werden können, muss in bestehende Intrastrukturen eingegriffen und diese an die neuen Erfordernisse angepasst werden. Darin sind sich die Studienteilnehmer einig. Allerding liegt darin zugleich eine der größten Hürden für die Verkehrswende, denn vor planerischen Eingriffen in die Struktur autogerechter Raum- und Stadtplanung schreckt die Politik zurück. 47% der befragten Experten gehen davon aus, dass sich dies in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Wenn sich diese Haltung nicht ändern sollte, wird die Chance auf eine zukunftsgerechte Mobilität verspielt.

Planerische Eingriffe, die die Strukturen autogerechter Städte tiefgreifend verändern, sind in Deutschland nicht realisierbar.

Zukünftige Mobilität

Eine zukunftsfähige Mobilität muss flexibler, individueller und vor allem digitaler werden

„Flexibilität“ lautet die Kernforderung zukunftsfähiger Mobilität. Um dem entsprechen zu können, muss insbesondere der öffentliche Verkehr aus seinem starren Korsett aus Fahrplänen und Linien befreit werden. Ziel muss sein, dass sich das Mobilitätsangebot den Menschen und nicht die Menschen dem Mobilitätsangebot anpasst. Die Digitalisierung bringt Schleswig-Holstein diesem Ziel näher – wenn wir ihre Potenziale für die Verkehrswende nutzen .

"Es gibt viel zu tun. Packen wir es endlich an!"

Zitat Studienteilnehmer

"Innovieren - Ausprobieren - Erfolge bewerten: Einfach mal den Mut haben, etwas zu machen, auch wenn es nicht immer gleich die ganz große Lösung verspricht."

Zitat Studienteilnehmer

Indikatoren:

Mobilität wird variabler und individueller. Stichwort Intermodalität: In Zukunft werden wir Verkehrsträger häufiger miteinander kombinieren und dadurch an Flexibilität gewinnen. Allerdings sind die Voraussetzungen für eine intermodale Mobilität zwischen städtischen und ländlichen Regionen immens.
In der Stadt ist die Auswahl an Verkehrsmitteln größer, das Netz und die Taktung engmaschiger und nicht zuletzt die Distanzen kleiner. Hier ist Intermodalität unbestritten ein Zukunftsmodell. Davon zeigen sich 86% der befragten Experten überzeugt. 43% rechnen mit einem starken Anstieg. Bei der Gestaltung der Intermodalität kommen dem Rad und dem ÖPNV Schlüsselrollen zu.

Städtischer Raum: Bedeutung von Intermodalität

Aber wie sieht die Situation auf dem Land aus, wo das Angebot an Verkehrsmitteln begrenzt und die Distanzen größer sind? Hier ist Intermodalität sogar nach Ansicht von 90% Experten der Schlüssel zur Mobilität der Zukunft. Allerdings fällt der erwartet Anstieg auf dem Land geringer aus, so rechen „nur“ 28% mit einem deutlichen Anstieg. Zudem wird im Gegensatz zur Stadt die Kombination aus Auto und öffentlichem Verkehr zunehmen.
Stadt und Land starten in Sachen Intermodalität also auf einem sehr unterschiedlichen Niveau. Ob Stadt oder Land, der reibungslose Übergang zwischen verschiedenen Verkehrsträgern bleibt eines der entscheidenden Stellschrauben zukunftsgerechter Mobilität.

Städtischer Raum: Kombination von Verkehrsträgern

Intermodalität funktioniert in der Praxis nur, wenn Lösungen für einen reibungslosen Übergang zwischen den Verkehrsträgern geschaffen werden. Digitale Technologien und entsprechende Geschäftsmodelle bieten hier Möglichkeiten, das Umsteigen einfach, bequem und mit möglichst minimalen Wartezeiten zu gestalten. 88% der befragten Experten halten ein Szenario für realistisch, in dem verschiedene Mobilitätsanbieter auf Basis einer gemeinsamen digitalen Plattform kooperieren, um den Nutzern so eine nahtlose Mobilitätskette bieten zu können.

Mobilitätsanbieter kooperieren auf Basis einer gemeinsamen Plattform miteinander und bieten ihren Kunden so ein deutlich verbessertes, weitgehend nahtloses Mobilitätserlebnis